Prüfstandentwicklung: Mehrkanaliger Prüfstand zur Erfassung der Gummialterung.

Elastomeralterung, Aktivierungsenergie, Spannungsrelaxation

Abb. 1: Messaufbau zur gleichzeitigen Messung der Spannungsrelaxation bei sechs verschiedenen Temperaturen. (© Fraunhofer LBF)

Gummimaterialien in Elastomerbauteilen wie Dämpfern, Dichtungen, Förderbändern oder Reifen ändern unter dem Einfluss von thermischen oder mechanischen Belastungen ihre Eigenschaften. Für die Produktentwicklung und Lebensdauervorhersage ist es deshalb erforderlich, die zugrundeliegenden Alterungs- und Versagensmechanismen zu verstehen und zu modellieren. Ein wesentlicher Parameter für die Lebensdauervorhersage ist die Aktivierungsenergie des thermischen Abbaus des Elastomernetzwerkes. Der Vergleich von Spannungsrelaxationsexperimenten und zyklischen Betriebsfestigkeitsuntersuchungen (Wöhler-Kurven) während der thermischen Alterung von Elastomeren hat ergeben, dass sich die Aktivierungsenergien in beiden Versuchen nicht unterscheiden. Dies ermöglicht es, aus zeitaufgelösten Messungen der Spannungsrelaxation bei mehreren Temperaturen relativ einfach und kostengünstig die Aktivierungsenergie zu bestimmen. Ein neu aufgebauter mehrkanaliger Prüfstand für die Spannungsrelaxation von Elastomeren erlaubt es, sechs Temperaturen gleichzeitig zu testen.

Spannungsrelaxationsmessungen an Elastomeren

Die Spannungsrelaxationsmessung ist eine von wenigen Methoden, mit denen die Alterung von Elastomerproben kontinuierlich verfolgt werden kann. Ein Zugprüfkörper wird hierbei auf die Alterungstemperatur gebracht, und nach einer einmaligen Dehnung um einen festen Betrag (z. B. 10%) wird die Zugkraft auf die Probe nachfolgend kontinuierlich gemessen. Durch Alterungsvorgänge in der Probe werden physikalische und chemische Vernetzungspunkte abgebaut sowie Polymerketten „durchtrennt“. Dadurch entspannen sich zuvor gespannte Polymerketten, was zum Nachlassen der Zugspannung während der Alterung führt. Diese Messungen dauern je nach Temperatur mehrere Wochen bis Monate.

Zeiteinsparung bei der Materialentwicklung durch parallele Prüfung

Parallele Messungen bei mehreren Temperaturen erlauben eine deutliche Zeitraffung. Hierzu wurde im Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF ein parallelisierter Messplatz zur Messung der Spannungsrelaxation mit sechs unabhängig voneinander regelbaren Prüfkammern entwickelt und aufgebaut (Abb. 1). In jeder dieser Kammern kann eine Probe mit einer konstanten Temperatur und einer Wegauslenkung beaufschlagt werden. Ein Kraftsensor zeichnet dann kontinuierlich die verbleibende Zugkraft über die gesamte Prüfdauer auf.

Zur Bestimmung der Aktivierungsenergie wurde ein Auswertealgorithmus auf Basis der sogenannten Masterkurvenkonstruktion entwickelt. Aus den logarithmierten Verschiebungsfaktoren kann durch Auftragung und Anpassung in einem Arrhenius-Diagramm die Aktivierungsenergie bestimmt werden. Es zeigt sich, dass diese sehr gut mit der Aktivierungsenergie aus sehr aufwändigen zyklischen Ermüdungsexperimenten an für verschiedene Zeiten und bei unterschiedlichen Temperaturen ausgelagerten Proben übereinstimmt.

Hieraus lassen sich nun zu jeder beliebigen Temperatur die Verschiebungsfaktoren errechnen und Kraft-Zeit-Kurven für beliebige Temperaturen vorhersagen (Abb. 2). Dies erlaubt eine Abschätzung der Lebensdauer für Alterungs- und Versagensvorgänge. Die Aktivierungsenergien solcher Spannungsrelaxationsexperimente und die aus zyklischen Betriebsfestigkeitsuntersuchungen (Wöhler-Kurven) stimmen überein. Dies ermöglicht den Messaufwand zu verringern und führt zu deutlichen Zeiteinsparungen bei der Materialentwicklung.

Abb. 2: »Vorhergesagte Kurven« der normierten Kraft für verschiedene ausgewählte Temperaturen. Mit eingezeichnet sind die Messwerte für 80°C und 90°C (runde offene Symbole). (© Fraunhofer LBF)

Verbesserte Lebensdaueraussagen für den Anwendungsfall

Elastomere sind im Alltag weit verbreitet. Sie sind z.B. in Reifen, Lagern, Förderbändern, Dichtungen, als Beschichtungen, in der Schuh- und Textilindustrie und in vielen weiteren Bereichen zu finden. Für die Entwickler und Anwender von Elastomeren ist die Kenntnis des zu erwartenden Alterungsverlaufes in Abhängigkeit von der Einsatztemperatur von großer Wichtigkeit. Der mehrkanalige Prüfstand ermöglicht es, Messungen des Alterungsverlaufes bei verschiedenen Temperaturen simultan auszuführen. Der Alterungsverlauf bei einer beliebigen Temperatur kann dann aus den Messdaten extrapoliert werden. Dies führt zu einer deutlichen Zeiteinsparung bei der Materialauswahl und -entwicklung sowie zu einer besseren Qualität der Lebensdauervorhersage.

Zusammenfassung

Es wurde ein Messplatz für simultane Messungen der Spannungsrelaxation an Elastomeren bei verschiedenen Temperaturen vorgestellt. Der mehrkanalige Messplatz besteht aus sechs Prüfkammern, deren Temperaturen sich unabhängig voneinander einstellen lassen. Die bei den einzelnen Temperaturen gemessenen Kraft-Zeit-Kurven lassen sich zu einer Masterkurve zusammenführen. Hieraus erhält man die typische Aktivierungsenergie der Alterungsvorgänge. Eine Extrapolation der Daten ermöglicht es zudem, den Alterungsverlauf für beliebige andere Temperaturen vorherzusagen.

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